Über Schuld und Schuldgefühle

 

Schuld ist immer auch eine Frage des moralischen Referenzrahmens der Werte (z. B. christlicher, muslimischer, buddhistischer oder jüdischer Glaube), in dem man erzogen worden und aufgewachsen ist bzw. was man als Erwachsener als für sich richtig empfindet. Und auch, was gesellschaftlich an Werten gilt und vorgegeben ist.

 

An diesem Referenzrahmen ist an und für sich nichts schlechtes, wenn man sich darin wohl und zu Hause fühlt. D. h. innerhalb dieses moralischen Rahmens wird bewertet, welches Verhalten gut und auch was verpönt/tabu oder schlecht ist.

 

Daraus wird (meist unbewusst) abgeleitet, ob man sich als "guter" oder "schlechter" Mensch sieht, je nachdem, ob man seine eigenen Werte einhält oder dagegen "verstößt".

 

Wobei das "gute" bzw. "normale" Verhalten von uns eher nicht sonderlich registriert wird, weil das ja gefühlsmäßig keine Schwierigkeiten macht bzw. "normal" ist. Probleme macht uns also, wenn wir entgegen dieser/unserer Werte handeln oder sogar vielleicht auch nur denken.

 

SCHULDGEFÜHLE  sind eine FOLGE dieser Bewertung.

 

Was der eine als schlecht ansieht, muss für den anderen noch lange kein Problem darstellen, mit anderen Worten - Person A hat für eine Handlung Schuldgefühle, während Person B dasselbe Verhalten als normal / ok empfindet oder zumindest als für in dieser Situation verständlich und nachvollziehbar.

 

D. h. egal was uns unser "Denken" für ein Verhalten sagt, für das wir Schuldgefühle empfinden ("das ist ja nicht meine Schuld, das war in Ordnung...") - wenn wir uns trotzdem für etwas schuldig fühlen, dann gibt es eben dieses Schuldgefühl, egal wie wir kopfmäßig darüber denken.

 

Genausogut gibt es Gedanken mit den entsprechenden Gefühlen wie:

 

  • das ist nicht meine Schuld 
  • hierbei habe ich keinen Anteil 
  • das ist ok, wie ich mich verhalten habe
  • Unbeteiligt-sein
  • nicht tangiert sein 
  • in Ordnung sein
  • das betrifft mich nicht, sondern die "Anderen"
  • usw.

 einhergehen.

 

Verkürzt ausgedrückt, es gibt Gefühle von

 

  • schuldig sein und
  • nicht schuldig / in Ordnung / nicht davon betroffen sein.

 

Beides sind Gefühle, die man wahrnehmen, fühlen und ins Herz nehmen kann. Ob man diese Gefühle "hat" oder nicht, sagt in der Regel nichts darüber aus, ob man ein guter oder schlechter Mensch ist oder nicht.

 

Bei vorhandenen Schuldgefühlen hilft es weiter, sich damit auseinander zu setzen, wie es ist, d. h. zu fühlen

 

  • schuldig sein oder
  • nicht schuldig / in Ordnung / nicht davon betroffen sein.

 

Dann wird man feststellen, dass beides "nur" Gefühle sind, die man zulassen, erlauben und bewusst erleben kann - aber keine Tatsachen - selbst wenn diese Gefühle auf Tatsachen beruhen, die auf eine bestimmte Art und Weise interpretiert und bewertet worden sind.

 

Und man kann außerdem feststellen, dass es nicht schlimm ist, wenn diese Gefühle immer wieder kommen und dann auch immer wieder gehen können, weil innerhalb unseres inneren Erlebens ein ständiger Wechsel von Gefühlen, Emotionen und Gemütszuständen stattfindet.

 

Vereinfacht ausgedrückt, kann es eine richtige Wohltat sein, ein bisher unterdrücktes oder nicht eingestandenes Schuldgefühl zuzulassen, zu fühlen und in unser Herz zu nehmen.

 

Ähnlich verhält es sich übrigens mit der "Schwester" der Schuld - der Scham bzw. mit Schamgefühlen.

 

Der Gegenpol der Schuld und der Scham ist der innere Richter oder "Verurteiler", der sich auch "irgendwie" fühlt und ebenso ins Herz genommen werden sollte, weil dieser ebenso unsere Aufmerksamkeit, Beachtung, Wertschätzung und unser Mitgefühl braucht.

 

Vielleicht gibt es dann auch noch ein Gefühl von Reue bzw. die Sehnsucht danach, dass es anders gewesen wäre, dass man sich anders verhalten hätte oder den Wunsch, dass das Geschehene nie passiert wäre oder das Geweseme ungeschehen machen zu können, was ebenso mit den Mitteln der KH ins Herz genommen werden kann.