Über Stolz und (die Angst vor) Entwürdigung

Stolz und (die Angst vor) Entwürdigung hängen untrennbar zusammen

 

(Mit "Stolz" ist hier Stolz im Sinne von "zu stolz zu etwas zu sein" gemeint, nicht aber der Stolz über eine vollbrachte Leistung.)

 

Solange jemand noch nicht erlebt oder erfahren hat, entwürdigt worden zu sein bzw. "das Gesicht verloren zu haben", hat er es auch nicht "nötig", stolz zu sein.

 

Wer aufgrund eines (subjektiv empfundenen oder echten) Status' einen hohen Rang, eine hohe Funktion oder Stellung "bekleidet" oder inne hat, kann diesen Rang, diese Funktion oder Stellung wieder verlieren, "gestürzt werden" bzw. "stürzen" , falls er im kollektiv empfundenen, moralischen Sinne "gefehlt" hat - und/oder seine Reputation verlieren, falls er trotzdem die öffentlich wahrgenommene Rolle weiter behalten kann. Er verliert dann sozusagen "sein Gesicht" bzw. seine "Würde".

 

Ein Gefühl von Stolz (wie oben beschriebenen) ist in der Regel EINE FOLGE von Gesichtsverlust und erlebter Entwürdigung.

 

Sogar in der Trotzphase eines Dreijährigen kann dieses Kind, wenn es mit seinem Trotz "nicht durchkommt", - das "Nein" der Erwachsenen als Gesichtsverlust erleben - und mit erneuten Trotz reagieren, welcher wiederum mit einem subjektiv erlebten Stolzgefühl, einer Kränkung oder auch einem "Beleidigt-sein" einher gehen kann.

 

Eine stolze Haltung dient dazu, Gedanken und Gefühle von Entwürdigt-Sein, Gesichtsverlust oder auch Scham abzuwehren oder zu überdecken.  Somit hat  Stolz eine Abwehr-  und Schutzfunktion, um Gefühle von Entwürdigt-sein, Gesichtsverlust, Scham, Abhängig-sein, Wertlosigkeit usw. nicht fühlen zu müssen.

 

Andererseits kann unbewusster, verdrängter Stolz uns davon abhalten, sich selbst zu verwirklichen, aus ebenfalls unbewusster Angst, das Gesicht zu verlieren bzw. entwürdigt zu werden.

 

Die Verdrängung kann abgelesen werden aus Vermeidungsverhalten, wenn z. B. die Umsetzung eigener Wünsche nicht angepackt wird aus Angst, man könne "schief angesehen", abgelehnt oder auch verurteilt werden.

 

Die Lösung dieses Sich-selbst-Blockierens liegt

 

  • erstens darin, sich dieser Dynamik bewusst zu werden und
  • zweitens, indem alle zugrunde liegenden

    • Gefühle (auch das Gefühl von Stolz, Scham oder Entwürdigung und der wahrscheinlich darunter liegende Schmerz, nicht geliebt zu sein)
    • Ängste
    • Gedanken ("das lasse ich mir nicht bieten", "das ist unter meiner Würde", "das mache ich nicht")

     

    erst einmal unzensiert die Erlaubnis bekommen, da zu sein und bewusst wahrgenommen werden

  • und drittens, dass

    • jeder Gedanke als Gedanke erkannt wird und
    • jedes Gefühl für sich bewusst wahrgenommen, gefühlt, als "Gefühl" erkannt und "das Herz dafür geöffnet" wird.

 

Wichtige Herzensschlüssel für die Gefühle von Stolz, Scham, Entwürdigung und die Angst davor können sein:

 

  • die Erlaubnis, da sein zu dürfen
  • Raum (d. h. Raum im eigenen Bewusstsein und im inneren Erleben einnehmen zu dürfen)
  • bewusst wahrgenommen und gefühlt zu werden
  • von innerer Verurteilung befreit zu werden

    • damit ist gemeint, sich selber seine Gefühle von Stolz, Scham, Entwürdigt-sein, und den damit verbundenen Ängsten und dem Schmerz des "Ungeliebt-Fühlens" (der höchstwahrscheinlich darunter liegt) im inneren Erleben zuzugestehen, zuzulassen und diesen nicht mehr ablehnend gegenüber zu stehen (es sind "nur" Gefühle! - die gleichwohl als Gefühle Beachtung und Wertschätzung verdienen)

     

    • Nicht gemeint damit ist der Wunsch, dass die eigene Person oder "Persönlichkeit" von Verurteilung befreit werde. Wenn dieser Wunsch zugrunde liegt, "von außen" von einer Verurteilung befreit zu werden, liegt eine Identifkation vor (Identifikation von "ich bin/wurde verurteilt" = Gedanke, der mit einem Gefühl einhergeht), die eigens erforscht, wahrgenommen und "als Gefühl" wahrgenommen werden sollte. Auch der "Wunsch" (oder die Sehnsucht), von (außen von) einer Verurteilung befreit zu werden, kann als solcher erkannt, gefühlt und das Herz dafür geöffnet werden).
  • der wichtigste Herzensschlüssel aber ist, dass diese Gefühle "als Gefühle wahrgenommen", und nicht mit Tatsachen verwechselt werden (selbst wenn ein "tatsächlicher" - z. B. in der Öffentlichkeit erfolgter - Gesichtsverlust stattgefunden haben sollte).